Jetzt nach Israel?

Rückblick

„Jetzt nach Israel? Seid ihr verrückt? Warum gerade in dieser angespannten Zeit?“ fragten uns einige Freunde und Familienangehörige kurz vor unserer Reise. Ja, warum eigentlich gerade jetzt?

„Weil wir an der Seite Israels stehen wollen. Weil wir wie die Wächter auf der Mauer (Jes.62,6) in Jerusalem beten wollen. Weil wir mit anpacken und ermutigen wollen. Weil wir den Eindruck hatten, dass unser Vater im Himmel offene Türen schenken möchte“, antworteten wir. So machten sich Torsten und ich in der letzten Juniwoche auf den Weg. Viele Freunde beteten in dieser Zeit für uns und wir fühlten uns, die ganze Reise über, durch diese Gebete getragen. Danke nochmal an alle Beter!!!

Im Flieger waren wir die einzigen Deutschen. Müde,weil es ein Nachtflug war, kamen wir in Tel Aviv an. Unsere erste Station war das Vaterhaus auf dem Ölberg in Jerusalem, ein Gebetshaus mitten in arabischer Nachbarschaft und mit wunderbarem Blick auf die Altstadt. Mit Christen aus der Schweiz, Polen, Russland, Deutschland und einer messianischen Jüdin aus Israel beteten wir, in einem lustigen Mix aus verschiedenen Sprachen, jeden Morgen und jeden Abend jeweils zwei Stunden für Israel und die Juden auf der ganzen Welt. Jeden Tag waren wir mit dem arabischen Bus unterwegs und konnten Gottes Liebe auch und besonders für die arabischen Menschen spüren. Natürlich trafen wir uns auch zweimal mit unserem langjährigen Freund und Holocaustüberlebenden Josef Aron in seinem Lieblingscafé in der Altstadt von Jerusalem. Josef geht nun mittlerweile auf die 90 zu und wir waren froh, noch einmal Zeit mit ihm verbringen zu dürfen. Im Gebetshaus Succat Hallel hatten wir eine wunderbare Lobpreiszeit mit dem Bruder eines Leipziger Freundes und am Shabbat besuchten wir den Gottesdienst in der Christchurch von Benjamin und Ruben Berger. Nach dieser intensiven Woche im Gebetshaus fühlten wir uns schon fast wie eine Familie und demzufolge war der Abschied von unseren Geschwistern aus aller Welt sehr wehmütig.

Nun wieder zu zweit, ging es für Torsten und mich nach Sderot, einer Stadt nahe am Gazastreifen. Dort unterstützen wir vom Verein Tor nach Zion seit einem Jahr eine Suppenküche. Daniel, eine junge und dynamische Jüdin, führte uns durch die Räume. Wir waren beeindruckt, wie viele Menschen durch diese Arbeit versorgt und gesegnet werden. In Sderot leben die Ärmsten der Armen, weil die Mieten günstig sind. Über viele Jahre wurde diese Stadt ständig mit Raketen aus dem Gazastreifen beschossen, so dass alle, die es sich irgendwie leisten konnten, weggezogen sind. Übrig blieben viele hilfsbedürftige Menschen. Nach dem 7. Oktober sind die meisten Bewohner evakuiert worden, weil es zu gefährlich geworden war in Sderot zu leben. Mittlerweile sind 90 % der Bevölkerung zurückgekehrt. Die Not ist groß und die Suppenküche braucht dringend finanzielle Hilfe, um diese Not zu lindern. Von den Spenden die im letzten Jahr über Tor nach Zion zur Suppenküche gelangt sind, wurde ein Gabelstapler gekauft, der zum Transport der Nahrungsmittel unbedingt benötigt wurde. Für den nächsten Tag verabredeten wir uns mit Daniel um mit anzupacken. Am Nachmittag hatten wir die Möglichkeit mit unserer Gastgeberin Chava, in den Kibbutz Be'eri zu fahren. Dort lebt eine Freundin von Chava mit ihrer Familie. Be'eri liegt nur wenige Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Am 7. Oktober wurden die Bewohner von palästinensischen Terroristen heimgesucht, verschleppt und getötet. Chava's Freundin erzählte uns ihre Überlebensgeschichte: „ Am frühen Morgen des 7. Oktober kam plötzlich ein 15 oder 16 Jahre alter Palästinenser mit Maschinengewehr zur Türe rein. Es gelang uns gerade noch in unseren Schutzraum zu flüchten. Allerdings ist dieser Raum nicht zu verriegeln und ich fühlte mich nicht sicher. „Lass uns zum Fenster hinausklettern und uns irgendwo verstecken“, drängte ich meinen Mann und meinen Sohn. Wir sprangen in Todesangst hinaus und versteckten uns zuerst im Gebüsch. Überall Schreie, Maschinengewehrfeuer, brennende Häuser und Rauch. Dann schlichen wir zum Haus meines Schwiegervaters. Hinter einer Hausecke kauerten wir am Boden und versuchten uns zu verbergen. Irgendwann gelang es uns ungesehen in sein Haus zu schleichen. Im Schutzraum meines Schwiegervaters, der verschließbar ist, fanden wir Zuflucht. Zwei Tage harrten wir dort auf engsten Raum aus, bis wir endlich die Stimmen der israelischen Soldaten hörten.“

Dann führten sie uns durch die zerstörten Wohngebiete. Es war grauenvoll!!! Überall verbrannte und verwüstete Häuser. Die Zeit war wie stehen geblieben. Der offene Kühlschrank, Schuhe im Regal, zerbrochenes Kinderspielzeug auf dem Boden, Blut an der Wand...... An den Häusern hingen große Plakate mit Fotos der Menschen, die dort gelebt hatten und am 7. Oktober grausam umgebracht oder verschleppt wurden. Es war kaum zu ertragen. Als wir uns dann verabschiedeten, nahmen wir allen Mut zusammen und fragten, ob wir für die Familie beten dürften. Es waren keine gläubigen Menschen, aber wir konnten sie segnen.

Dieser Besuch lag uns so ziemlich schwer auf der Seele. In der Nacht hörten wir wieder Raketeneinschläge und Maschinengewehrfeuer aus dem nahegelegenen Gazastreifen. Also etwas müde und gedrückt fuhren wir am nächsten Morgen zur Suppenküche. Doch es sollte eine Überraschung auf uns warten!!! Laute Musik begrüßte uns. Etwa 20 junge Soldatinnen waren gekommen, um in der Suppenküche zu helfen. Sie sangen, tanzten und arbeiteten ein bisschen. So voller Leben und voller Hoffnung. Am Israel chai! schmetterten sie aus voller Kehle. Das heißt übersetzt DAS VOLK ISRAEL LEBT! Halleluja, Israel lässt sich nicht unterkriegen. Sie stehen wieder auf und gehen weiter. Wir arbeiteten mit den jungen Frauen Seite an Seite. Es war so ermutigend!!! Als wir dann endlich alle Kartoffeln in Tüten gepackt hatten, damit sie von den bedürftigen Menschen abgeholt werden konnten, sind wir mit etwas schmerzenden Rücken und fröhlichem Herzen in unser Quartier gefahren.

Am nächsten Tag ging es weiter nach Sde Boker, einem kleinen Ort mitten in der Wüste. Dort besuchten wir unsere Freunde Kelly, Yaron, Baruch, Jeanie und ihre Familien. Wir feierten miteinander Shabbat, besuchten ihren kleinen Gottesdienst in einem Campus für Studenten aus aller Welt, machten wegen der Hitze nur eine kleine Runde durch die von mir so geliebte Wüste und besuchten am letzten Tag noch Kelly und Yaron an ihrem neuen Food Truck. Der steht 2 bis 3 Tage in der Woche nahe einer Oase an der Straße Nummer 40. Da beide durch den Krieg ihre Arbeit verloren haben, versuchen sie, sich und ihre große Familie mit dem Food Truck über Wasser zu halten. Wir tranken noch einen wunderbar aromatischen Kaffee mitten in der Wüste und verabschiedeten uns dann in Richtung Haifa.

Dort warteten schon unsere langjährigen Freunde Avishay und Chava auf uns. Mit Avishay besuchten wir noch am selben Tag seinen Freund Yona, der im Sterben lag. Yona war ein Überlebender des Holocaust und besuchte noch im letzten Jahr mit seiner Frau die jüdischen Woche in Leipzig. Nun lag er wegen einer Hirnblutung im Koma. Wir konnten für ihn beten. Vor ein paar Tagen ist Yona heimgegangen.

Mit unserer deutschen Freundin Uta, die seid einiger Zeit in Israel lebt, trafen wir uns dann am nächsten Tag und besuchten gemeinsam das Gebetshaus auf dem Karmel. Dort lernten wir das nette Leiterehepaar aus Australien kennen.

Am letzten Tag ging es zurück nach Tel Aviv. Dort trafen wir uns noch mit einer ehemaligen Kollegin von Torsten, ihrem Mann und ihrer Tochter. Wir saßen ein letztes mal am Meer und aßen eine letzte leckere Falaffel. In der Nacht ging es zurück nach Deutschland.

Voller Dankbarkeit blicken wir auf zwei reich gefüllte Wochen in Israel zurück. Wir haben gespürt, dass wir auf vorbereiteten Wegen unterwegs waren. Wir durften Israel vom Ölberg aus segnen, Menschen ermutigen, mit anpacken, Freunde besuchen und ihnen wieder neu sagen: „Wir stehen an euer Seite.“ Danke Herr für diese kostbare Zeit!!!

Hier geht es zum Kurzfilm über die Reise: https://drive.google.com/file/d/1M9BU4yucRLxGhz2TQkiiOlZ66pDk0-nL/view?usp=drivesdk

Kerstin Kluge

15.07.2024 - 30.07.2024
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